Da saßen wir drei wieder. Sie, der Wein und ich. Wir sprachen über Herz und Fuß, Gebrechen und Freuden, diskutierten über ihre abstrakten und meine Hauptsache-es-passt-zur-Wandfarbe-Vorlieben, ecken hier und da ein wenig mit unseren Ansichten und tauschen Kopf- und Herzsprünge.
So verschieden wir in mancher Hinsicht sind, so ähnlich gleichen sich unsere Tiefpunkte.
Wie sooft benötigte es kaum eine hohe Dosis Zweisamkeit, bis wir auch wieder bei einem, uns beliebten Thema strandeten. Häufig verirren wir uns beim auseinandernehmen aber letztlich können wir den Sumpfsuhlenden wieder zurückholen.
An diesem Tag bestand der Sumpf aus Individualitätsfragen, deren Ursprung irgendwo bei der Erfindung der absolut neuesten Neuheit, die die Welt noch nicht gesehen hat, lag.
Unser Ziel? Der Unsicherheit trotzen, Zweifel an der untreuen Individualität lahmlegen und die Vermeidung des Verbrennens aktueller Projekte.
„Ich hatte eine Spitzenidee! Ich brannte darauf sie umzusetzen und auszuarbeiten. Mensch, es war klasse! Du weißt schon – die Glühbirne überm Kopf! Also hab ich losgelegt. Es lief richtig gut, aber umso mehr ich an Story dazu dachte, umso mehr kam ich ins Schwanken. Das gab’s doch alles schon!“, sagte sie genervt.
„Was meinst du? Gut gegen Böse?“, fragte ich im Scherz und musste befürchten, gleich die Flasche Wein an den Kopf zu bekommen.
„Ich frage mich, warum es mir erst dann auffällt, wenn ich das Storyboard schon ziemlich durch habe.“
„Dann hast du es wieder zu lange zerkaut.“
„Natürlich habe ich das! Trotzdem bleibt es Fakt, dass es eben etwas ist, das irgendwie schon da ist. Das ist immer so! Nur jetzt nervt es gerade wieder. Dann springen mir Ähnlichkeiten nur so ins Gesicht.“
Ich nickte. Es sind diese Themen, die einen Gesprächspartner benötigen, damit wir nicht gegen die Wand laufen.
„Wir schreiben auf unsere Art. Wahrscheinlich kommt es dir nur so vor, weil du zu lang gebrütet hast. Ich bezweifle, dass es exakt gleich ist, oder? Manchmal sehe ich auch eine Ähnlichkeit, die nur ich so empfinde.“
„Das hilft auch nicht. Gerade das nagt dann an meiner Vorstellung der Individualität. Klar ist es meine Art, meine Sicht, Empfinden… aber, ach, ich wollte mehr. Wehe es kommt jetzt was von wegen Größenwahn!“, schnaubt sie augenverdrehend und wir lachen.
„Du erinnerst dich, wie ich die meisten Namen der für Fantasy kreiere? Lieblingsbuchstaben austesten bis es mir gefällt? Wörter oder Sätze, aneinander gequetscht wie sie ausgesprochen werden. Vielleicht noch ein Lieblingsbuchstabe dazu. Du weißt ich liebe a, e, o r, s, t und y! Tja, andere eben auch.“
„Zufall und Geschmack mangelt es an Individualität? Na, die Auswahl ist aber auch sehr eingeschränkt. Da etwas zu erwarten wäre dann doch Größenwahn!“, lacht sie.
„Sicher. Wo liegt der Unterschied?“
„Eigentlich ist es mir aufgefallen, weil ich letztens eine Geschichte gelesen habe, die meiner von der Art so ähnlich war. Sie lief auf etwas anderes raus. Ähnlich war sie trotzdem. Ich konnte nicht weiterschreiben. Irgendwie dachte ich dann auch noch, jetzt wo ich die Geschichte gesehen habe, kann ich meine gar nicht mehr unverfälscht weiterschreiben. Da konnte ich mir noch so gut zureden, dass wir eben zig Menschen mit ähnlichen und gleichen Gedanken sind – das Timing kann ein Unsicherheit streuendes Schwein sein.“
„Ja, selbst wenn ich glaube der Gedanke ist total meiner! Oder eine Handlung und ich bin mir so sicher, dass ich das noch nirgends aufgeschnappt habe… Dann fällt mir plötzlich was in die Hände und dann bin ich depri und mag’s am liebsten verwerfen!“
Wir können dieses Endlosthema dann stundenlang zerlegen und diskutieren, bis wir auf unseren alten Freund Perfektionist stoßen, der wiederum Hand in Hand mit dem Kritiker erscheint und alles madig macht.
Unsere hilfreichsten Gedanken und Schritte:
Wenn der Sumpf quillt – nicht alleine zerdenken!
Den Text lesen lassen! Wir tauschen Texte gern untereinander. (Ich finde es auch super von Freunden lesen zu lassen. Ich halte es nicht zwingend für wahr, dass die Lieben nicht objektiv sein können. Besonders wenn sie selbst gerne schmökern.)
DAS GILT IMMER: Mach dich bitte nicht verrückt! Wenn dich etwas in der ähnlichen Richtung plagt, am besten entspannt und locker bleiben. Oft ist es einfach der Moment des Zweifels, der an dir knabbern mag. Mir passiert das auch immer noch, nur dass ich früher Bild oder Text sogar rigoros weggeworfen/gelöscht hätte.
Selbst wenn ihr es gedanklich verwerfen solltet, kann es in einem Jahr ja auch eine Inspirationsquelle sein!
Du hast eine Sicht, speziell und einzigartig. Geprägt durch die Dinge die du mit Herz oder Fuß erlebt hast. Genauso wie ich sie habe und wenn wir etwas lesen und uns in Art oder Gedanken ähneln ist das vollkommen normal.
Manchmal kann ich etwas dazu sagen und manchmal kann ich nur wild nicken und zustimmen. Ich muss mich selbst immer wieder daran erinnern, um nicht eine unnötige Unsicherheit auszulösen.
Keiner kann alles auf der Welt gelesen haben, wissen was gerade jemand in Buxtehude, Timbuktu oder im Nachbarhaus schreibt. Ich denke dann auch immer ein wenig an das Phänomen des Zwillings. Es ist also bestimmt auch so, dass irgendwo auf der Welt gerade jemand (oder mehrere) 1 zu 1 denselben Text schreibt. Und Abertausende, die vielleicht gerade denselben Gedanken nachhängen.
Mittlerweile denke ich immer an die ganzen Beispiele, die wir so gesammelt haben und wenn es gar nicht geht, wende ich mich einem anderen oder neuen Projekt zu. Manchmal brauche ich auch nur ein paar Stunden Zeit für mich.
Denk dran und frag dich selbst: Stört es dich, wenn du ein Thema zum zehnten Mal aus einer anderen Perspektive siehst? Meistens nicht. Ob es dabei um einen Artikel geht mit dem du dich identifizieren kannst, neue Anregungen, Sichtweisen, Ratschläge etc. findest, oder um ein Buch, eine Geschichte, ein Film oder ein Bild.
Ich z.B. liebe Hexenstories! Und ich habe sicherlich nicht nur „die kleine Hexe“ im Regal stehen!
Ich bin überzeugt, dass Einflüsse etwas sehr Positives sind. Und damit meine ich selbstverständlich nicht, einfach etwas plump zu kopieren! Sondern Grundlegendes. Wie unsere Vorlieben.
Oft geht es einfach um Vorlieben und es gibt genügend Leute, die sich nach eben dieser Vorliebe wieder und wieder dieselbe Thematik anschauen.
Was ich mag und was nicht macht mein Schreiben aus.
Welche Perspektive, Zeit und welches Genre mag ich? Wann und wie packt es mich? Welche Charaktereigenschaften sehe ich gerne in Protagonisten und welche Entwicklung? Was für Emotionen reißen mich mit? Wie fühle ich? Alles was ich z.B. schreibe, das mag ich natürlich auch.
Aus dem Nähkästchen: Ich persönlich habe kein Ding für Dramen! Und wenn ich am Ende des Emotionskampfes DANN nicht mit einem Happy End belohnt werde, dann ist alles verloren. Dann heul ich drei Wochen! Ergo, das gibt‘s bei mir nicht! Kurzgeschichten ertrag ich da wieder eher! Sogar meine kurzen, traurigeren Texte verkrafte ich nur gerade so!
…und das alles führt auch wieder zum eigenen Stil. Dann gibt es wieder Sachen, die ich liebe und die mir einfach nicht liegen, z.B. Krimis und Thriller. Ich bin sooo ein Crime-Junkie und habe noch nie etwas in der Richtung verfasst. Nicht einmal versucht. Ich liebe es einfach selbst zu knobeln!
Das war der erste Teil! Ui ui!
Wie sieht es bei dir aus? Schlitterst du auch manchmal in solche Momente? Wie löst du sie? Ich bin sehr gespannt!
Grüßle <3
5. September 2016 at 9:54
Hallo,
es spiegelt sich doch immer etwas von einem selbst, in deinen Erzählungen wieder, dass ist es was mir so gefällt.
5. September 2016 at 10:45
Freut mich, dass es dir gefällt!! 🙂